Ist Sturheit nun eine Stärke oder eine Schwäche?
Zuallererst danke ich dem Menschen, dem ich dieses wunderbare Wort "meinungsstabil" verdanke - ich verwende es seither mit großer Vorliebe immer dann, wenn Menschen sich selbst als stur bezeichnen und liebe es für seine wertschätzende Bedeutung! Wundervoll!
Bei der Reflexion über meinungsstabil oder stur zeigt sich für mich wieder einmal, dass es keine negativen Eigenschaften gibt, sondern lediglich Eigenschaften, die sich in der einen Situation als positiv (für einen selbst / für die Umwelt) herausstellen und in der anderen eher als negativ wirken bzw. beurteilt werden. Dabei spielt natürlich auch unsere soziokulturelle Prägung eine große Rolle.
Hier einen differenzierten Blick sich zu bewahren hilft ungemein weiter, nicht zuletzt in Partnerschaften, denn sind es doch häufig die positiven Auswirkungen einer Eigenschaft, die uns zu einem Menschen hingezogen haben bzw. wichtige Gründe sind, in einer Beziehung zu bleiben, als dann wieder es die negativen Auswirkungen sind, die uns auf die Palme treiben. So steht der Sparsamkeit und das Verantwortungsbewusstsein dem Geiz gegenüber und der Genuß an stundenlangen tiefgehenden Gesprächen dem Frust über leidige Diskussionen und dem ewigen "Widersprechen"....
Diese Betrachtung über die unterschiedliche Wirkung unserer Eigenschaften in Abhängigkeit von der Situation kann aber auch im Umgang mit uns selbst hilfreich sein und eine gute Basis bilden für mehr Toleranz und Akzeptanz und Wertschätzung den eigenen "Macken/Stärken" gegenüber...
Nun aber mal konkret zur "Meinungsstabilität", von manchen gar nicht wertschätzend als Sturheit bezeichnet. Zunächst einmal ist das immer dann eine Stärke, wenn es wichtig ist, die eigenen Position zu vertreten, sich nicht wankelmütig zu zeigen. Also: kein Fähnchen im Winde zu sein, sondern eine starke Persönlichkeit mit einer Meinung, zu der man auch steht.
"Meinungsstabil" zu sein, kann aber auch einen ziemlich hohen Preis fordern und da denke ich besonders an ein von mir immer mal wieder genanntes Thema: Stress.
Stressauslösung findet vorwiegend in unserem Kopf statt, bzw. ganz konkret in unserem Gehirn.
Hierbei spielt unsere Genetik / Epigenetik eine Rolle, unsere Vorerfahrungen und eben:
die Einschätzung unserer eigenen Handlungsmöglichkeiten.
Kennen Sie das, wenn man sehr viel Stress hat? Und andere wagen zu erwähnen, dass man ja irgendetwas an dieser Situation anders betrachten könnte oder gar das eigene Verhalten so verändern könne, dass der eigene Stress sich mehr oder weniger drastisch reduzieren würde?
Also das ist doch ungeheuerlich! Die haben doch alle keine Ahnung! Die sehen einfach nicht, wie wichtig A, B und C und wie unausweichlich D ist und welche ungemein grauenvollen Folgen es hätte, wenn man statt dessen E machen würde, und das man der Situation F nunmal gar nichts entgegensetzen kann, man in der Falle sitzt und schlicht und einfach kein Ausweg vorhanden ist. Man ist das Opfer der Situation und die anderen schieben einem perfide jetzt auch noch die "Schuld" dafür in die Schuhe.
Die haben leicht reden, kommen einem mit Gesundheit und Lebensqualität, dabei ist man selbst schlicht und ergreifend im Lebenserhaltungsmodus.
Und hier kommt ins Spiel, dass Menschen, die "meinungsstabil" sind, alles, was hilfreiche Auswege aus einer auswegslosen Situtation wären, gerne mal nicht gelten lassen. Selbstverständlich aus guten Gründen und mit guten Argumenten. Und all die Argumente, die dafür sprechen, dass dieser Stress unausweichlich ist, sind auch gut und richtig - aber die der anderen manchmal eben auch...
Es ist wieder einmal eine Frage der Perspektive und vielleicht - wenn der Preis für das Beharren auf der eigenen Sichtweise sich nicht mehr solide und stabil anfühlt, sondern nur noch sehr, sehr anstrengend - kann es hilfreich sein, etwas zu relativieren, die eigene Sichtweise als eine mögliche zu betrachten und so ganz für sich mal in sich hineinzuhorchen, ob es vielleicht auch im eigenen Erleben
eine Vorstellung von anderen Möglichkeiten gibt, als die, die sich so vehement laut Gehör verschafft.
Man muss die eigene Reflexion darüber ja nicht öffentlich machen...
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